Die Diskussion um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wird seit Jahren hitzig geführt. Hier sind alle Fakten und Infos zur Debatte!
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19.7.23
Laut einer im April 2021 vorgestellten repräsentativen Bevölkerungsumfrage sprachen sich 64 Prozent der Befragten für ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen aus. 42 Prozent gaben an, ein Tempolimit solle in jedem Fall in die Tat umgesetzt werden. Weitere 22 Prozent signalisierten ihre grundsätzliche Zustimmung. 15 Prozent der Befragten sprachen sich eher gegen ein Tempolimit aus, 21 Prozent lehnten es komplett ab. Im Vergleich zu vergangenen Umfragen gab es damit eine klar deutlichere Mehrheit für ein Tempolimit.
Der größte deutsche Automobilclub ADAC folgt bei seinen Einschätzungen grundsätzlich der Mehrheitsmeinung seiner Mitglieder. Der Club führt dazu jährlich eine Umfrage unter seinen Mitgliedern durch, bei der unter anderem deren Meinung zum Tempolimit erfragt wird. Seit 1995 gab es grundsätzlich eine Mehrheit gegen ein Tempolimit. Die Befragung im Jahr 2020 ergab allerdings erstmals seit 1994 wieder eine Mehrheit für ein Tempolimit. 47% der befragten Mitglieder stimmten für ein Tempolimit, 46% dagegen.
Angesichts des ausgeglichenen Ergebnisses der Mitgliederbefragung und der allgemein sehr polarisierenden Debatte verzichtet der ADAC aktuell auf einen klaren Standpunkt und zeigt sich dem Thema gegenüber neutral eingestellt.
Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), der ebenfalls lange eine neutrale Haltung zum Thema vertrat, hat sich im Mai 2020 ebenfalls klar für ein Tempolimit ausgesprochen. Der DVR fordert ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen von 130 km/h. Zusätzlich solle es einen vermehrten Einsatz von intelligenter Verkehrsbeeinflussung geben. Hierzu gibt es bereits an einigen Autobahnen digitale Anzeigen, mit denen abhängig von Witterungs- und Verkehrsbedingungen eine situative Anpassung der Geschwindigkeitsbegrenzung möglich ist.
Andere europäische Länder hingegen haben die Limitierung längst eingeführt. Die Regelungen der verschiedenen Staaten sollen daher beispielhaft vorgestellt werden:
Ein Bündnis aus dem Fahrradclub ADFC sowie den Umweltverbänden BUND, Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace hatte im Februar 2020 ebenfalls für die Einführung eines Tempolimits plädiert. Sie hatten den Bundesrat aufgefordert, im Rahmen der Abstimmung zur StVO-Novelle für die Einführung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen zu stimmen. Bundesrat, Bundesrat und Bundesregierung haben bisher jedoch immer gegen eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung gestimmt. Ein Grund dafür liegt in der starken Beteiligung der CDU/CSU. Die Mehrheit der Unionspolitiker spricht sich gegen ein Tempolimit aus.
Im Bundestag sind die Lager in Sachen Tempolimit gespalten. Abgeordnete von Grünen, SPD und Linke sprechen sich für ein Tempolimit aus. Die Grünen kündigten bereits an, bei einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl im Jahr 2021 schnellstmöglich ein Tempolimit von 130 km/h einführen zu wollen. Dies sollte laut Parteichef Robert Habeck die erste Maßnahme einer neuen Regierung sein, an der die Partei beteiligt wäre. Bis heute konnten Sie diese Begrenzung jedoch nicht durchsetzen.
Kritik am Tempolimit kommt dagegen aus den Reihen von CDU und FDP. Vertreter der beiden Parteien hatten sich vermehrt gegen ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen ausgesprochen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich, ebenso wie Vorgängerin Angela Merkel (CDU), entsprechend der fehlenden Gesetzgebungsmehrheit gegen die Limitierung auf 130 km/h auf deutschen Autobahnen aus.
Meist werden drei Hauptgründe für ein Tempolimit in Deutschland angeführt:
1. Der Verkehr würde mit einem allgemeinen Tempolimit flüssiger fließen
2. Ein Tempolimit würde einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten
3. Ein Tempolimit würde die Verkehrssicherheit auf den Autobahnen erhöhen
Die Sachlage zu den einzelnen Themen ist zum Teil unklar. Diese Unklarheit führt zu einer hitzigen und emotional geführten Diskussion sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft. Expert*innen fordern daher umfassende Studien vor allem zum Thema Verkehrssicherheit, um eine klare Sachlage für eine Diskussion zu liefern. Einige Erkenntnisse gibt es jedoch bereits.
Zu diesem Thema gab es bisher keine umfassenden wissenschaftlichen Untersuchungen. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass ein Tempolimit einen positiven Effekt hätte. Verkehrspsychologe Bernhard Schlag argumentiert, dass viele Staus durch starke Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den einzelnen Verkehrsteilnehmer*innen entstehen. Durch von Auto zu Auto stärkere Bremsmanöver entstehe ein “Schmetterlingseffekt”, der zu stockendem Verkehr und schließlich zu Staus führe.
Ein weiterer, belegter Grund für viele Staus ist eine kontinuierlich steigende Zahl an Autos, die über die Autobahnen fahren. Der ADAC argumentiert allerdings, dass der Verkehrsfluss vor allem auf Strecken mit besonders dichtem Verkehr durch ein Tempolimit positiv beeinflusst werden könne.
Hier ist die Sachlage eindeutiger. Nach Angaben des Umweltbundesamtes aus dem Februar 2020 könnten durch ein Tempolimit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen jährlich 1,9 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht einer Einsparung von 4,9 Prozent bei den Emissionen, die durch Autos und leichte Nutzfahrzeuge auf der Autobahn entstehen. Ein Tempolimit von 120 km/h würde jährlich sogar 2,6 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Da der ansteigende Anteil von CO2 in der Erdatmosphäre maßgeblich zum menschengemachten Klimawandel beiträgt, könnte durch ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen demnach ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden.
Die Verkehrssicherheit ist meist das Hauptargument, das für ein Tempolimit vorgebracht wird. Auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat gibt in einer Stellungnahme an, dass er bei Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen von einer sinkenden Anzahl Verkehrstoter ausgeht: “Die Strategie des DVR ist die Vision Zero. Demnach ist es unsere Aufgabe, uns für all die Maßnahmen einzusetzen, die Verkehrsunfälle mit Getöteten und Verletzten verhindern. Dazu zählt auch das generelle Tempolimit auf Bundesautobahnen”, sagt Prof. Dr. Walter Eichendorf, der Präsident des DVR.
Umfassende wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema gibt es bisher nicht. Allerdings gibt eine Studie aus dem Jahr 2007 Hinweise auf einen positiven Einfluss eines Tempolimits. Dafür wurden auf einem Abschnitt der A24 in Brandenburg die Unfallzahlen vor und nach der Einführung eines Tempolimits beobachtet. Die Ergebnisse waren eindeutig: im Dreijahreszeitraum nach der Einführung der Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h hatte sich die Anzahl der Unfälle im Vergleich zum Zeitraum vor der Einführung von 654 auf 337 verringert. Die Zahl der verunglückten Personen sank von 838 auf 362, was einem Rückgang von 57 Prozent entspricht.
Zwar sank im gleichen Zeitraum auch die Gesamtzahl der Unfälle auf brandenburgischen Autobahnen – die Forscher*innen gehen jedoch trotzdem davon aus, dass “bei einer angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung für Pkw von 130 km/h auf den vorhandenen unbegrenzten Streckenabschnitten ein Nutzen für die Allgemeinheit entsteht.“
Der ADAC gibt an, dass ein Zusammenhang zwischen einem allgemeinen Tempolimit und der Verkehrssicherheit auf Autobahnen nicht festzustellen sei. Einige Studien haben gezeigt, dass die Verkehrssicherheit in vielen Ländern, in denen ein allgemeines Tempolimit herrscht, nicht höher ist als in Deutschland.
Laut Daten des Statistischen Bundesamts sind Autobahnen zudem die sichersten Straßen in Deutschland. Während etwa ein Drittel der Fahrzeugkilometer dort gefahren wird, beträgt der Anteil der Verkehrstoten dort lediglich 13 Prozent. Die “Schwachstelle in Sachen Verkehrssicherheit” sind laut ADAC dagegen die Landstraßen, auf denen bei 40 Prozent der Fahrleistung 60 Prozent der Verkehrstoten in Deutschland registriert werden. Unklar bleibt allerdings, inwiefern die Verkehrssicherheit auf deutschen Autobahnen mit einem Tempolimit zusätzlich erhöht werden könnte. Kritiker*innen eines Tempolimits argumentieren zudem, die positiven Effekte eines Tempolimits seien marginal. Sie seien es daher nicht wert, bürgerliche Freiheiten einzuschränken.
Volvo engagiert sich bereits seit seiner Gründung für die Sicherheit seiner Fahrzeuge. Mit der "Vision 2020" hatte sich der Hersteller das ambitionierte Ziel gesetzt, dass ab 2020 kein Mensch mehr in einem seiner Fahrzeuge getötet oder schwer verletzt wird. Deshalb stattet Volvo seit 2020 alle seine Modelle mit einer eingebauten Geschwindigkeitsbegrenzung auf 180 km/h aus. Davon verspricht sich der Hersteller erhöhte Sicherheit im Straßenverkehr sowie einen verringerten CO2-Ausstoß.
Eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsunternehmens Innofact ergab, dass eine Mehrheit von 60 Prozent der Autofahrer*innen eine Geschwindigkeitsbegrenzung bei Neuwagen von Volvo begrüßt. Es überrascht daher nicht, dass andere Hersteller dem Beispiel von Volvo bereits folgen. Renault hat im April 2021 ebenfalls angekündigt, seine Fahrzeuge ab 2022 auf 180 km/h begrenzen zu wollen.