Autohersteller nutzen bereits recycelte Stoffe wie PET-Flaschen. Eine Uni in Eindhoven entwickelte ein nachhaltiges Auto mit recycelbaren Biomaterial.
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3.1.24
Nachhaltige Mobilität mit Elektroautos klingt zunächst umweltfreundlich. Doch damit der ökologische Fußabdruck von Autos schrumpft, muss das Auto so weit wie möglich in geschlossenen Wertstoffkreisläufen bleiben. Nur so entsteht ein nachhaltiger Gewinn für die Umwelt.
Auch für Hersteller können nachhaltige Produktion und Recycling Vorteile haben, Sie senken nämlich den Energieverbrauch in der Fertigung. Opel beispielsweise verwendet Kunststoff-Granulat, das aus alten Flaschendeckeln entsteht. Daraus fertigt der Hersteller für das Modell Adam unter anderem die Stoßstangenbefestigung und das Scheinwerfergehäuse. Opel beziffert die Einsparung an CO2 durch diese Maßnahme auf 30 Prozent. Das liegt daran, dass Kunststoff-Granulat mit niedrigeren Temperaturen und weniger Druck erzeugt werden kann. So wird weniger Energie verbraucht. Insgesamt bestehen im Adam 170 Komponenten aus recyceltem Kunststoff. Damit kommt Opel nach eigenen Angaben auf 45.000 Tonnen recycelte Materialien pro Jahr.
Doch es gibt weitere Vorteile der nachhaltigen Produktion: So schätzt Opel, dass das recycelte gegenüber neu hergestelltem Material weniger zu Maß- und Formveränderung neigt. Unter anderem besteht auch das Saugrohr des Motors aus recyceltem Kunststoff – und das muss immerhin Temperaturen zwischen 40 Grad minus und 200 Grad plus standhalten.
Auch andere Autohersteller haben kreative Ideen entwickelt, um den ökologischen Fußabdruck ihrer Modelle zu verringern. Volvo hat sich vorgenommen, ab 2025 ein Viertel des in seine Modelle eingebauten Kunststoffs aus wiederverwertetem Plastik herzustellen. Wie das in der Praxis aussehen könnte, hat der Hersteller aus Schweden mit einem Prototyp auf Basis des XC60 gezeigt. Der Mitteltunnel des SUV besteht aus ausrangierten Fischernetzen und Seilen, das Material für die Sitze und die Fußmatten aus recycelten PET-Flaschen. Weiter kommt Recycling-Kunststoff als Dämmmaterial unter der Motorhaube zum Einsatz. Die Fahrzeugstudie wurde 2018 im Rahmen der Segelregatta Ocean Race vorgestellt.
Alles legal: Die Innenverkleidung des Golf beispielsweise besteht zum Teil aus Hanf. Um die Umwelt zu schonen, setzt Volkswagen auf nachwachsende Rohstoffe und webt Hanffasern in die Türinnenverkleidung. Recyclingmaterial findet sich in der Radhaus- und Unterbodenschale des Golfs. Vor einiger Zeit ging eine geradezu geschichtsträchtige Form des Recyclings durch die Nachrichten. Als der Palast der Republik, eines der berühmtesten Relikte der DDR, abgerissen wurde, wurde der Stahl des Gebäudes recycelt. Unter anderem wurde genau dieser Stahl im Motorblock des Golf 6 verwendet.
Die 2011 vorgestellte Neuauflage des Ford Focus enthält weiterverarbeitete Jeansreste in Türverkleidung und Innenraumbezügen. Diese dienten als Baumwolllieferanten für die Produktion. Auch Plastik aus recycelten PET-Flaschen findet sich im Focus in den Verbundwerkstoffen im Armaturenbrett sowie im Dämmmaterial.
Recycling funktioniert auch andersherum. Bei der Produktion von Neuwagen und beim Recycling von Isolationsmaterial bleiben immer Reste zurück, die sich sinnvoll weiterverwenden lassen. General Motors hatte die Idee, das Isolationsmaterial "Sonozorb“ zu sammeln und den Stoff aufzubereiten. Daraus wurde das Innenfutter für Schlafsäcke gefertigt, die in der US-Metropole Detroit an Obdachlose verteilt wurden.
Nicht alle Materialien von Schrottautos sind wiederverwendbar. Das erklärt Anita Engler, die bei Daimler für nachhaltige Projektentwicklung zuständig ist. “Ein Mercedes hat eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa 18 Jahren“. Rechne man die Entwicklungszeit mit ein, vergehen zwischen der Auswahl des Materials für den Neuwagen bis zu seiner Wiederverwertung 20 bis 25 Jahre. In dieser Zeit kann es große Technologie-Sprünge geben. Das Recycling von Karosserie-Stahl gestaltet sich dagegen deutlich unkomplizierter. Dieser geht zu 100 Prozent ins Recycling.
Entscheidend sind vor allem die Eigenschaften des recycelten Stoffes. “Nachhaltigkeit allein reicht für uns nicht aus, jedes Rezyklat muss denselben Qualitätskriterien entsprechen wie ein Neumaterial“, sagt Engler. Vertreter*innen von BMW sehen das genauso. “Es geht immer darum, das optimale Material für jeden Einsatzbereich zu finden“, meint Steffen Aumann, Leiter Recycling bei der BMW Group.
Das Material muss außerdem über den gesamten Lebenszyklus eines Modells eingesetzt werden können. Dafür muss es auch in ausreichender Menge verfügbar sein. “Wenn wir ein Rezyklat getestet und entwickelt haben, das unsere Anforderungen erfüllt, wollen wir das in möglichst vielen Baureihen einsetzen“, sagt Anita Engler. Wenn man bedenkt, dass im Automobilbau eine Generationsdauer von etwa 7 Jahren gilt, fallen erhebliche Mengen für die Produktion an. Nicht immer reicht der Vorrat.
Einen wahrhaftig nachhaltigen Ansatz verfolgen die Studierenden der TU/Ecomotive in Eindhoven mit der Entwicklung des Elektroautos Noah. Noah ist ein auf Plastikabfällen basierendes, 3D-gedrucktes Auto und wurde entwickelt, um das volle Potenzial nachhaltiger Mobilität zu präsentieren.
Da es sich um ein Konzeptfahrzeug ohne Marktverfügbarkeit handelt, sind Verbrauchs- und Emissionswerte nicht bekannt. Folglich werden sie hier nicht aufgeführt.
Der Elektro-Zweisitzer besteht aus 90 Prozent recycelten Materialien, davon der größte Teil aus Leinen. Außenhaut, Innenraum und Chassis basieren auf einem Verbundstoff, der aus Zuckerrohr und Leinenfasern produziert wird. Das aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelte Bio-Composite-Material kann somit vollständig dem Recycling-Kreislauf zurückgeführt werden. Die auf einer inneren Wabenstruktur basierenden Matten sind fest und leicht zugleich.
Noah wiegt 350 Kilogramm und wird von einem 20 PS starken E-Motor betrieben. Damit beschleunigt das Recycling-Auto auf bis zu 100 km/h. Die Energie kommt aus einer modularen Batterie. Diese kann bei Bedarf problemlos durch eine andere ersetzt werden, sobald bessere Akkutechnik zur Verfügung steht. Das Batteriepaket für den ersten Prototypen besteht aus sechs Zellen und soll gut 240 Kilometer Reichweite bieten.
Am Ende der Lebenszeit von Noah können die biologischen Materialien einfach zerkleinert und als Basis für neue Stoffe genutzt werden. Alle nicht organischen Teile des Fahrzeugs werden dem existierenden Recycling-Zyklus zugeführt.
Eine Serienfertigung des Noah ist nicht geplant. Stattdessen gehe es laut den Studierenden darum, Aufmerksamkeit für die technischen Möglichkeiten von Recycling in Autos zu schaffen. Dazu besuchte das Entwicklungsteam im Sommer 2018 zahlreiche Autohersteller, Zulieferer und andere Universitäten, um das Projekt vorzustellen.
An der TU Eindhoven arbeitet man stets an einem Nachfolger von Noah. 2020 wurde Luca vorgestellt - ein Recycling-Auto mit dem Fokus auf aus dem Meer gewonnenen Plastik. Nur zwei Jahre später folgte Zem, welches CO2 selbstständig aus der Luft filtert.
Die Idee von recycelten Materialien bei der Autoproduktion ist nicht neu. Einige Hersteller haben schon enorme Kreativität bei ihren Recycling-Methoden bewiesen. Noah geht jedoch einen beträchtlichen Schritt weiter und kann somit als einer der Wegweiser für die Zukunft des nachhaltigen Autobaus bezeichnet werden.
Die Nutzung von recycelten Materialien bei der Herstellung sowie die Möglichkeit des vollständigen Recyclings von Autos – beides sind wichtige Schritte auf dem Weg zu nachhaltiger Mobilität. Sie sind jedoch nicht die einzigen Maßnahmen, die Autohersteller ergreifen sollten. Auch die ressourcenschonende Herstellung neuer Materialien für die Produktion sowie nachhaltig erzeugter Strom für Elektroautos sind wichtige Meilensteine auf dem Weg dorthin.
Wir sind überzeugt, dass das Auto der Zukunft maßgeblich dazu beitragen kann, unseren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. Damit würden Fahrzeuge nicht nur zu unserer Mobilität beitragen, sondern auch unsere Umwelt schonen.
VEHICULUM bietet Privat- und Gewerbeleasinganfragen für zahlreiche Fahrzeuge, die recycelte und nachhaltige Materialien an. Das Elektroauto von BMW zum Beispiel bietet unter anderem ein teilweise aus Hanf hergestelltes Armaturenbrett sowie Sitzbezüge, in denen recyceltes Material aus alten PET-Flaschen verarbeitet ist. Darüber hinaus belegt der kleine Stromer in der Liste der saubersten Autos 2019 des ADAC den dritten Rang. Den ersten Platz belegt der VW Polo mit Gasantrieb.