Elektromobilität in Europa wird stark diskutiert. Doch wer sind die europäischen Spitzenreiter und warum schneidet Deutschland nur mittelmäßig ab?
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27.9.23
Gerade erst ging die IAA Mobility 2023 in München zu Ende, schon rückt das Thema der E-Mobilität wieder in den Mittelpunkt vieler Diskussionen darüber, wie nachhaltige Mobilität in Zukunft aussehen wird. Allein in Europa wurden im Jahr 2021 über 740 Millionen Tonen CO2 durch den Straßenverkehr verursacht. Solch hohe Zahlen rufen nicht nur Umweltschützer und Automobilhersteller auf den Plan, sondern regen auch die europäischen Staaten selbst zum Umdenken an.
In diesem Beitrag beschäftigen wir uns daher mit der Frage, wie es um die E-Mobilität in Europa steht und welche Länder dabei aktuell mit besonderem Engagement für Elektromobilität hervorstechen.
Um dies zu beurteilen, stützen wir uns in diesem Artikel auf den sogenannten EV Readiness Index 2023, welcher jährlich von LeasePlan veröffentlicht wird, wobei EV im Allgemein für Electric Vehicle, also elektrische Fahrzeuge steht.
Konkret befasst sich die Studie mit 22 europäischen Ländern und untersucht dabei jeweils den Reifegrad des Marktes für Elektromobilität sowie der entsprechenden Infrastruktur. Außerdem werden in die Analyse auch die mit dem Betrieb eines E-Autos einhergehenden Betriebskosten einbezogen. Durch die Vergabe der Punkte auf einer Skala von 1 bis 15 beziehungsweise 20 für die jeweiligen Faktoren können nicht nur diese im Einzelnen bewertet werden. Vielmehr gibt die durch Summation entstandene Gesamtpunktzahl Auskunft darüber, wie das jeweilige europäische Land im Vergleich mit den anderen Staaten Europas abschneidet.
Der aktuelle Report zeigt deutlich, welche Länder in Europa zu den Gewinnern in Sachen Elektromobilität zählen und wo noch Nachholbedarf besteht. Unumstritten reihen sich, wie aus den letzten Jahren bereits ein bekanntes Bild, die nordischen Länder auf den vorderen Plätzen aneinander, während sich die Länder im Süden Europas im stark umkämpften Mittelfeld platzieren. Die osteuropäischen Staaten liegen hingegen noch deutlich zurück.
Wir nehmen daher im Folgenden den Erfolg vier europäischer Länder genauer unter die Lupe und ziehen des Weiteren den Vergleich mit dem Stand der Elektromobilität in Deutschland.
Welthauptstadt der Elektroautos, Klassenprimus, Mobilitätspionier – die Titel zur Spitzenposition Norwegens sind ebenso vielfältig wie die Zutaten für dessen Erfolgsrezept in Sachen Elektromobilität. So belegt Norwegen im EV Readiness Index mit einer Gesamtpunktzahl von 42 von insgesamt 55 möglichen Punkten deutlich den ersten Rang. Nicht verwunderlich, denn Elektromobilität als aktuell einer der wichtigsten Zukunftstechnologien für nachhaltige Mobilität spielt für das als nachhaltigstes Land der Welt ausgezeichnete Norwegen eine tragende Rolle. Christina Bu, Generalsekretärin des Norwegischen Elektroauto-Verbands erklärt den Erfolg, welcher auf verschiedenen Säulen fußt.
Die wohl größte Hürde in Norwegen, einen Benziner oder Diesel zu fahren, ist in der überdurchschnittlich hohen Steuer auf Treibstoff begründet, denn diese liegt bei bis zu 35 Øre, also umgerechnet 3 bis 4 Cent pro Liter. Während 2016 gleichzeitig auch die Mineralölsteuer stieg, senkte Norwegen´s Regierung parallel die Kfz-Steuer. Die Begründung: Während Autofahren selbst in Norwegen aufgrund der oftmals großen Entfernungen essentiell ist, kann man die hohe Luftverschmutzung durch Benziner und Diesel nicht dulden. Die hohen Steuern sollen dazu anregen, auf ein E-Auto umzusteigen, da dieses ebenfalls von der niedrigeren Kfz-Steuer sowie von anderen gesenkten Steuersätzen profitiert.
Zudem wurden weitere Maßnahmen ergriffen, um die Attraktivität der Elektromobilität zu steigern. So sind Parktarife für Elektroautos niedriger angesetzt und auch Maut- sowie Fährtickets erfreuen sich einer Preisreduzierung. Des Weiteren dürfen mit dem Elektroauto auch Bus- und Taxispuren genutzt werden. Auch die über 24.000 öffentlich zugänglichen E-Ladestationen machen das Elektroauto in Norwegen zu einem komfortablen Begleiter.
Damit erreichte Norwegen im vergangenen Jahr einen Top-Wert bei den Neuzulassungen von Elektroautos. 2022 waren satte 79,3% der verkauften Neuwagen in Norwegen Elektroautos. Das Ziel, bis 2025 emissionsfrei, also nur mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb zu fahren, rückt somit in greifbare Nähe.
Auch die Niederlande verfolgt das ambitionierte Ziel, ab 2030 ausschließlich Elektroautos neu zulassen zu wollen. Das Land, welches eigentlich eher für ein ausgezeichnetes Radwegenetz bekannt ist, setzt nun allerdings auch in Sachen Elektromobilität Akzente in Europa.
Gleich zwei Spitzenwerte verzeichnet die Niederlande – einerseits erzielt sie mit rund 120.000 öffentlich zugänglichen E-Ladestationen und über 4.000 Schnellladepunkten einen absoluten Rekordwert. Andererseits fallen in den Niederlanden im europäischen Vergleich auch die Förderungen für E-Autos am üppigsten aus. So sind diese nicht nur von der Kfz-Steuer befreit, sondern Käufer erhalten zudem hohe Zuschüsse. So können Privatpersonen eine Förderung von bis 2.950 Euro beantragen, für Unternehmen beträgt diese zum Teil sogar bis zu 5.000 Euro.
So wurde 2022 in der Niederlande bei den neu zugelassenen Fahrzeugen ein Anteil von 23,5% an Elektroautos verzeichnet. Hinzu kommen 25% an hybriden Fahrzeugen und 11,1% Plug-In-Hybride, sodass insgesamt mehr als die Hälfte der niederländischen Autos teilweise oder ganz mit einem elektrischen Antrieb ausgestattet ist.
Unter den Top 3 des EV Readiness Index 2023 reiht sich auch Deutschland´s Nachbarland Österreich ein. Das vergleichsweise kleine Land überzeugt dabei bei den Förderungen und den Steuervorteilen, aber auch bei den Sonderrechten für Elektroauto-Fahrer.
Während in Österreich ein allgemeines Tempolimit von 130 km/h auf den Autobahnen gilt, sind viele dieser Strecken mittlerweile auf 100 km/h begrenzt. Grund dafür ist das sogenannte IG-L, also das Imissionsschutzgesetz Luft. Eine Ausnahme dabei gilt allein für Elektroautos. Diese dürfen, insofern nicht anders gekennzeichnet, weiterhin mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h unterwegs sein.
Außerdem profitieren Käufer von Elektroautos in Österreich ebenfalls von hohen Fördersummen, denn diese können bei bis zu 5.000 Euro liegen. Dafür müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu zählen beispielsweise:
Zusätzlich fördert der Bund auch die E-Ladeinfrastruktur mit 600 bis 1.800 Euro.
In der Regel ist in Österreich bei der Neuzulassung eines Fahrzeuges außerdem die sogenannte Normverbrauchsabgabe, kurz NoVA, fällig. Doch auch diese entfällt ganz für rein elektrisch betriebene Autos. Gleiches gilt für die motorbezogene Versicherungssteuer, welche für alle Kraftfahrzeuge in Abhängigkeit vom Gesamtgewicht, der Motorleistung sowie dem CO2-Ausstoß berechnet wird.
Somit profitiert Österreich im EV Readiness Index vor allem bei den Gesamtbetriebskosten. Außerdem stehen den Fahrern von Elektroautos rund 18.000 öffentlich zugängliche E-Ladestationen zur Verfügung. Das Alpenland verzeichnet damit rund 140.000 zugelassene E-Autos.
Wie Österreich ebenfalls auf Rang 3 beim EV Readiness Index platziert, ist Schweden. Während in den letzten Jahren vor allem Förderungen die Attraktivität von Elektroautos gesteigert haben, setzt die Regierung nun auf den weiteren Ausbau der Infrastruktur und einen verstärkten Fokus auf den EV-Markt selbst. So kommt es, dass die schwedische Regierung Ende 2022 staatliche Subventionen auf Elektroautos und Plug-In-Hybride einstellte.
Nichtsdestotrotz bleibt Schweden einer der Spitzenreiter in Sachen Elektromobilität in Europa. Der Grund dafür liegt in der Entwicklung maßgebender Innovationen in der Technologie. Immer wieder macht das über 10 Millionen Einwohner starke Land Schlagzeilen als Innovationstreiber. Im Folgenden stellen wir daher auszugsweise drei solcher Technologien vor.
In Zeiten, in denen vor allem die Diskussionen um Ladezeiten und die Verfügbarkeit von Ladepunkten immer wieder an die Oberfläche dringen, setzt Stockholm ein klares Zeichen und errichtete das größte Elektroauto-Parkhaus Europas im Herzen der Hauptstadt. Das Besondere: an jedem der 1.000 vakanten Parkplätze steht ein eigener Ladepunkt zur Verfügung. Während der Arbeit oder dem Shopping in der Stadt kann so also das Elektroauto ohne Sorgen um einen freien Ladepunkt und ohne die Aufwendung von Extrazeit geladen werden. Die Parkplätze dürfen, entgegen der allgemein Regel, außerdem sowohl von Elektroautos als auch von Verbrennern gleichermaßen genutzt werden.
Ein weiteres Vorbild für den Fortschritt der Elektromobilität zeigt sich auf der größten schwedischen Insel – Gotland. Dort rüstete das israelische Unternehmen Electreon ähnlich wie in Tel Aviv die Straße so auf, dass ein induktives Laden der E-Fahrzeuge ermöglicht wird. Dafür wurden auf der 1,6 Kilometer langen Strecke zum Flughafen Visby Kupferspulen unter dem Asphalt installiert, welche wiederum an das Stromnetz angeschlossen sind. Durch ein Empfängermodul an den Fahrzeugen, egal ob Pkw, Bus oder LKW ist möglich, so die Batterie während der Fahrt induktiv zu laden. Reichweitenangst ist damit zum Fremdwort geworden. Zunächst dient diese Strecke allerdings als Pilotprojekt.
Auf einer zwei Kilometer langen Strecke nahe Stockholm kommt ebenfalls das Prinzip des Ladens während der Fahrt testweise zum Einsatz. Dabei wird allerdings auf die Technologie des induktiven Ladens verzichtet. Stattdessen setzt man auf einen beweglichen Arm, welcher sich während der Fahrt in einer Art Schiene mit dem E-Auto oder E-Truck mitbewegt und jeweils an ein entsprechendes Empfängermodul andockt. Auch dieses Projekt wurde zunächst als Test angelegt.
Beide Technologien sind jedoch so vielversprechend, dass die Regierung bereits über einen flächendeckenden Ausbau im Gespräch ist – so zum Beispiel auf einem weiteren 20 Kilometer langen Autobahnabschnitt der Europastraße E20 von Hallsberg nach Örebro. Bis 2045 sollen so weitere 3.000 Kilometer der schwedischen Straßen elektrifiziert werden. Zusätzlich stehen bereits jetzt rund 30.000 weitere Ladepunkte zur Verfügung – Tendenz steigend. Wir bleiben gespannt, was uns in den nächsten Jahren beim schwedischen Innovationstreiber weiteres Großes erwartet.
Deutschland als einer der Hauptakteure in der Automobilindustrie hinkt in Sachen Elektromobilität im europäischen Vergleich deutlich hinterher. Der EV Readiness Index zeigt gerade einmal eine Platzierung auf Rang 10. Der Erfolg der Elektromobilität hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich des politischen Engagements, des Ausbaus der Ladeinfrastruktur und der Attraktivität von des Marktes. Wir stellen daher die Frage, warum Deutschland aktuell noch nicht besser im Ländervergleich abschneidet.
Laut Beschluss des Europäischen Parlaments soll der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Europa so vorangetrieben werden, dass im Abstand von maximal 60 Kilometern ein öffentlich zugänglicher Ladepunkt an den Hauptverkehrswegen bereitsteht. Diesem Ziel möchte sich auch Deutschland immer mehr annähern und baut daher die Ladeinfrastruktur bundesweit stark aus.. Die Bundesnetzagentur zählte so zu Mitte diesen Jahres 75.643 Normal- und 17.029 Schnellladepunkte – der Masterplan Ladeinfrastruktur verspricht allerdings noch einige mehr. Auf die 1,17 Millionen zugelassenen Elektroautos (Stand Juli 2023) verteilt, wirkt die Zahl jedoch vergleichsweise gering.
Ein weiteres Thema, welches die Regierung, Automobilhersteller und andere Stakeholder gleichermaßen beschäftigt, ist die Frage, wie der Standort Deutschland sich in der Automobilindustrie zukünftig positioniert. Feststeht: Elektromobilität wird nicht allein zukunftsweisend sein. Auch andere alternative, umweltschonende Antriebe – wie zum Beispiel Brennstoffzellen für Wasserstoff – treiben die Hersteller um. Die Nachfrage nach E-Autos ist zwar aktuell weltweit sehr vielversprechend, jedoch gibt es keine Garantie dafür, dass dieser Erfolg nicht langfristig durch andere Technologie gebrochen wird.
Das Risiko, in die Forschung und Entwicklung, eine adaptive Produktion, teure Batterien, strakes Marketing und in eine noch längere Liste an Herausforderungen der Elektromobilität zu investieren, ist oftmals aus unternehmerischer Sicht noch relativ hoch. Doch die Nachfrage und auch der politische Druck zeigen nach und nach Wirkung, sodass Entwicklungen in diesem Bereich weiter voranschreiten. BMW betitelt die Elektromobilität beispielsweise als eines der zentralen Transformationsthemen in der Automobilindustrie und ist im Markt der Verbrenner wie auch bei Elektro- und Wasserstoffautos ganz vorn dabei.
Doch es braucht noch mehr Bemühungen, wie wir sie in Norwegen, Schweden, Österreich oder der Niederlande finden, um langfristig mit der Elektromobilität auch in Deutschland erfolgreich zu sein. Die im deutschen Klimaschutzplan geforderte Transformation des Verkehrssektors zur Treibhausgasneutralität bis 2050 gelingt nicht nur mithilfe innovativer Technologien in den verschiedenen Modellen selbst, sondern benötigt einen Rahmen an fortschrittlicher, der Nachfrage angepasster Infrastruktur, welche aktuell in Deutschland nicht ausreichend zur Verfügung steht. Eine Orientierung an anderen europäischen Spitzenreitern ist daher in jedem Fall lohnenswert.
Ein weiterer Minuspunkt auf Deutschland´s Agenda zur Elektromobilität ist das Thema der Förderungen. Im August 2023 lief die BAFA-Prämie aus, 2024 dürfen nur noch E-Autos mit einem maximalen Nettopreis von 45.000 Euro gefördert werden – schlechte Nachrichten vor allem für Unternehmen, aber auch für Privatkäufer mit höheren Ansprüchen. Nichtsdestotrotz gilt weiterhin für Elektroautos die Befreiung von der Kfz-Steuer bis 2030.
Deutschland hat also vor allem beim Thema Infrastruktur und Förderung Nachholbedarf, während Elektromobilität in Europa, vor allem aber in den nordischen Ländern boomt. Allen voran die EV-Infrastruktur und die Gesamtbetriebskosten, welche in den meisten Fällen niedriger als beim Verbrenner ausfallen, machen die Anschaffung eines Elektroautos attraktiv. Schafft Deutschland den Anschluss an andere europäische Länder und dadurch auch mehr Anreize für private und gewerbliche Käufer, ist eine höhere Akzeptanz der Elektromobilität und damit verbunden eine höhere Nachfrage absehbar.
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